Beim 1889er Velociped Wettrennen ist besonders hervorzuheben, dass August Lehr erstmalig in Coburg startete. August Lehr gilt als der erste deutsche Weltmeister im Radsport.

Quelle: Datei:August Lehr 1890.jpg – fahrrad-wiki
Ebenso hervorzuheben ist Paul Erbrecht. Der Kunstradfahrer aus Bernburg an der Saale zeigte zwischen den Rennen sein Können. Er wurde später Ehrenmitglied des Radler Verein Coburg.

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Coburg, 11. Juni. Das vom Radler-Verein Coburg am ersten Pfingstfeiertag auf seiner eigenen Bahn veranstaltete Velociped-Wettfahren war bis zum Schluß vom schönsten Wetter begünstigt und erfreute sich eines außerordentlich zahlreichen Besuchs. Ein dichter Kranz von Menschen umsäumte die 400 Meter große Bahn, einer lebendigen Hecke vergleichbar. Ebenso stattlich schauten die Tribünen aus, die bis in die letzten Reihen hinein von einem distinguirten, festtäglich gekleideten Publikum besetzt waren. Neben diesen künstlerisch aufgebauten Tribünen zogen sich auch noch andere die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich. Die Fenster, Veranden, ja Dächer der in Gesichtsweite der Bahn belegenen Gebäude waren von Schaulustigen besetzt, welche das mit dem Perspectiv bewaffnete Auge abwechselnd von der auf dem Festplatz versammelten Menge auf die Renner und den Kunstfahrer richteten. Die herrliche von der Natur gelieferte Staffage erhöhte die Schönheit dieses Renn-Gemäldes, das so ganz das Gepräge groß- und weitstädtischen Treibens bot. Fehlte auch bei uns der offizielle Totalisator, so fehlte es doch an den nöthigen Wetten nicht und die Parteinahme für diesen oder jenen Concurrenten der einzelnen Fahrer war eine sehr lebhafte. Das Interesse des Publikums war bis zum letzten Augenblick des 3 1/2 Stunde währenden Wettfahrens gefesselt und wurde erfreulicher Weise auch weder durch Unfälle noch andere Widerwärtigkeiten gestört. Wir können unmöglich jedes einzelne Rennen einer genauen Berücksichtigung unterziehen und beschränken uns auf die Bemerkung, daß für uns drei Rennen und zwar das Herzog Ernst-Fahren, das Meisterschafts-Fahren von Thüringen und das Jugend-Fahren von ganz besonderem Reiz waren. Im Uebrigen müssen wir unsere geehrten Leser schon bitten, sich freundlichst mit den trockenen Zahlen und Namen zu begnügen, die wir den einzelnen Fahren beifügen.
1) Erst-Fahren für Zweiräder. (Zweirad und Sicherheitszweirad). Distance 2000 Meter. Einsatz 3 M. Offen für alle Herrenfahrer, welche noch keinen ersten oder zweiten Preis bei einem offenen Fahren auf der Rennbahn (Vereinsfahren ausgenommen) errungen haben. 3 Preise. 8 Nennungen. Am Start erschienen 5 Renner, 3 zahlten Reugeld. Es fuhren Conrad Bohrer, Velociped-Club Bamberg; R. Heumann, Einzelfahrer Coburg; Paul Ebastè, R.-V. Coburg; Edmund Schneider, Velociped – Club Meiningen; Ludwig Schmidt-Nürnberg. Als erster ging Bohrer – Bamberg mit 3 Min. 52 3/5 Sec. durchs Ziel, ihm folgte mit 3 Min. 52 4/5 Sec. Schmidt-Nürnberg, dritter wurde Ebastè -Coburg.
2) Herzog Ernst-Fahren, (Haupt – Zweirad – Fahren und Sicherheitszweirad). Distance 5000 Meter. Einsatz 5 M. Offen für alle Herrenfahrer. 3 Preise. 11 Nennungen. 6 Reuer, so daß am Start 5 Renner erschienen und zwar Aug. Lehr, Radfahrer-Verein Frankfurt a/M.; Rudolph Starkloph, R.-B. Gotha; Tobias Herdel, V.-C. Mannbeim: Emil Zahn, R.-V. Coburg; P. Schierhorn, Einzelfahrer Erfurt — Die Führung war wechselnd bei verschiedenen Rennern, wobei Lehr – Frankfurt ohne besondere Anstrengung fuhr. Erst bei der vorletzten Runde hielt er es für angebracht den Entscheid herbei zu führen und zeigte seine verborgenen Kräfte. Er ging als Erster mit 9 Min. 42 Sec. durchs Ziel, die Herzog Ernst-Medaille mit Diplom somit erringend. Den zweiten Preis (i. H. v. 80 M.) errang Herbel-Mannheim mit 9 Min. 46 Sec. Der dritte Preis (i. H. v. 40 M.) fiel Starkloph- Gotha zu. Zahn-Coburg mußte nach der 4. Runde den Kampf aufgeben, weil sein Fahrzeug ein Pedal verloren hatte.
3) Vereins-Fahren. Distance 2000 Meter. Einsatz 3 M. Offen für die Mitglieder des Radler-Vereins Coburg. 3 Preise. 4 Nennungen. Alle starteten. Durchs Ziel gingen mit 4 Min. 10 1/5 Sec. W. Schmidt; mit gleicher Zeit Rud. Strauß und als Dritter Ebastè.
4) Meisterschafts-Fahren von Thüringen auf dein Zweirad. Distance 5000 Meter. Einsatz 5 M. Offen für alle Herrenfahrer, welche ihren Wohnsitz in Thüringen haben. 3 Preise, darunter als erster die große goldene Meisterschafts-Medaille mit dem Titel „Meisterfahrer von Thüringen auf dem Zweirad.“ 3 Preise. 5 Nennungen. 2 Neuer. Es starteten Rudolph Starkloph, Radf.-Verein Gotha; P. Schierborn-Erfurt und Emil Zahn, R.-V. Coburg. Das Rennen gestaltete sich ganz besonders interessant, anfänglich schienen alle drei Concurrenten sich darin zu gefallen jedem die Führung einmal zu überlasten. Erst später traten die Symptome des Wettkampfs in die Erscheinung, der gegen Schluß hochgradige Erregung bei Rennern wie dem Publikum hervorrief. Ursprünglich neigte der Sieg dem Gothaer Herrn zu, doch schlug schließlich Zahn-Coburg denselben mit 3/5 Secunden, somit die Meisterschaft für Thüringen erwerbend. Starkloph-Gotha war mit 10 Min 37 3/5 Sec. Zweiter, während Schierhorn-Erfurt als Dritter durchs Ziel ging. Der kokettierende Charakter, den dieses Rennen zur Erhöhung des allgemeinen Interesses in seinem Anfang an sich trug, erhellt auch aus der Thatsache, – daß bei gleichen Distancen dieses Rennen fast eine ganze Minute Zeit mehr in Anspruch nahm als das Herzog Ernst-Fahren. Bei beiden Rennen traten Zweiräder in die Concurrenz und an beiden war Starkloph-Gotha betheiligt. Solch ein Wettkampf, wie er sich in diesem Rennen bei der letzten Runde entwickelte, der zur völligsten Erschöpfung der Concurrenten führte, ist von uns bisher noch nicht beobachtet worden.
5) Herzog von Edinburg-Fahren. (Haupt – Dreirad-Fahren.) Distance 3000 Meter. Einsatz 5 M. Offen für alle Herrenfahrer. 3 Preise, darunter als erster, ein Ehrenpreis Sr. königl. Hoheit des Herzogs von Edinburg. 6 Nennungen. 2 Neuer. Am Start erschienen Tobias Herbel-Mannheim, G. L. Borneff-Coburg, Herm. Wendel-Erfurt und Theodor Jaide R.-V. Rüsselsheim. Als Erster ging Jaide mit 6 Min. 11 3/5 Sec. durchs Ziel, ihm folgte mit 4/5 Sec. Verspätung Herbel-Mannheim. Dritter wurde Wendel.
6) Jugend-Fahren. Distance 1000 Meter. Einsatz 1 M. Offen für alle jungen Leute, welche das 16 Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die Genehmigung ihrer Eltern oder Vormünder schriftlich nachweisen. 3 Preise. 3 Nennungen. Es starteten Beiersdorf-Coburg, Arthur Rahmig-Plauen IV und Armin Räder – Großmann – Sonneberg. Das Altersverhälniß der Concurrenten war nicht ganz gleichmäßig. Es konnte deshalb nicht überraschen, daß Rahmig als Erster mit 2 Min. 14 Sec. Durchs Ziel ging Den 2. Preis errang, vom Beifall des Publikums lebhaft begrüßt, Räder – Großmann mit 2 Min. 300, Sec. Gleich freudig akklamirt wurde Beiersdorf, der sich ebenfalls als guter Renner erwies. Die beiden letzten Rennen erhielten in ihrer Reihenfolge eine Aenderung gegen die programmatische Aufführung.
7) Zweirad-Fahren mit Vorgabe. (Zweirad und Sicherheitszweirad.) Distance 3000 Meter. Einsatz 5 M. Offen für alle Herrenfahrer. 3 Preise, darunter Ehrenpreis des Vereins zur Hebung des Fremdenverkehrs in Coburg. 11 Nennungen. 6 Neuer, so daß am Start 5 Fahrer erschienen und zwar Konrad Bohrer, V.-L. Bamberg; Aug. Lehr, R.-V. Frankfurt a.M.; Tob. Herbel- Mannheim; P. Schierhorn-Erfurt und Ludw. Schmidt-Nürnberg. Aug. Lehr gab Erhebliches vor, ging trotzdem mit 5 Min. 252,, Sec. als Sieger durchs Ziel. Herbel – Mannheim errang mit 5 Min. 36 Sec. den zweiten Preis, Schmidt-Nürnberg den dritten.
8) Schlußrennen. Dreirad-Fahren mit Vorgabe. Distance 2000 Meter. Einsatz 5 M. Offen für alle Herrenfahrer. 3 Preise, darunter Ehrenpreis der Stadt Coburg 7 Nennungen. Gestartet wurde nur von Dreien. Als Erster passirte Jaide-Rüsselsheim nach 3 Min. 58 1/5 Sec., Zweiter wurde Wendel-Erfurt mit in 4 Min. 2/5 Sec. Als Dritter folgte ohne Anstrengung Tob. Herbel-Mannheim. Als quantitativ hervorragendster Sieger des diesjährigen Rennens ist Herr Tob. Herbel vom Velociped-Club in Mannheim zu bezeichnen, da er in 4 Rennen als Sieger hervorging. Auch qualitativ ist dieser Herr einer der bedeutendsten Renner gewesen. Er siegte im Herzog-Ernst-Rennen als Zweiter über Starkloph-Gotha und mit 4 Sec. Unterschied nach Lehr-Frankfurt, welch beiden Fahrern ein großer Ruf vorausgeht. Zu diesen drei Fahrern treten noch Zahn-Coburg und Jaide-Rüsselsheim als hervorragende Fahrer hinzu. Nach dem 3 und 6. Rennen trat Herr Paul Erbrecht aus Bernburg als Kunstfahrer auf und wußte durch seine große Eleganz beim Fahren und seine nicht geringe Balancirkunst, die sich bei einzelnen Vorführungen frappierend bemerkbar machte, das Publikum aufs Angenehmste zu unterhalten. Man zollte dem Herrn reichen Beifall. Er hatte ihn um so mehr verdient, als sein hiesiges Auftreten ein Act reiner Courtoiste war.
Das Rennen hat allüberall wohl den besten Eindruck hinterlassen, so daß alle Theile mit dem Verlaufe des dießjährigen Wettfahrens zufrieden gewesen sein dürften. Nicht verschweigen dürfen wir. Daß der Nachmittags 3 Uhr sich in Bewegung setzende Corso tausende von Zuschauern angelockt hatte, die mit sichtlichem Wohlgefallen die etwas über 200 Stahlroßreiter bei sich defiliren ließen. Die Regiments-Capelle führte sowohl bei dem Corso wie auf dem Rennplatz die Musik aus und fand willige und dankbare Zuhörer. Auch bei dem Abends nach 8 Uhr im Schießhaussaale stattgefundenen Souper und Ball sorgte Herr Musikdirigent Hoßfeld für erfrischende und belebende Musik. Bei dem Festmahl fehlte es natürlich an mancherlei Toasten nicht, von welchen wir besonders diejenigen hervorheben wollen, die nach vollzogener Preisvertheilung auf die Sieger sowohl als auch auf Herrn Kunstfahrer Paul Erbrecht ausgebracht wurden. Die schneidigen Radfahrer zeigten beim späteren Ball, daß sie auf diesem Gebiete ebenso Ausdauerndes zu leisten wissen, wie auf ihrem Sportplatz.
Quelle: Coburger Zeitung, 16.06.1889
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