
— 30. Mai. Das heutige Eröffnungsrennen des hiesigen Radler Vereins an der neuerbauten Rennbahn am Anger nahm einen überaus glänzenden Verlauf. Begünstigt vom besten Wetter fand programmmäßig gestern der Empfang der angemeldeten auswärtigen Radfahrer und Abends ein durch einen leichten Gewitterregen kaum beeinträchtigtes Concert auf der Capelle, sowie heute Vormittags bei etwas regnerischer Witterung Besichtigung der Rennbahn, Spaziergang durch den Hofgarten nach der Festung, Besichtigung der Sehenswürdigkeiten und Frühstück daselbst statt. Die Corsofahrt, welche bei wenn auch trübem, doch regenfreiem Wetter Nachmittags ½ 3 Uhr vom Theaterplatz aus durch die schwarze Allee bis zur Bahnhofstraße, durch die Heiligkreuz nach der Rennbahn stattfand, fesselte das Auge in hohem Grade nicht nur durch den Reiz der Neuheit, sondern auch durch die Geschicklichkeit und Eleganz, mit welcher die Fahrer — meist jugendliche, frische und muskulöse Gestalten — ihr Stahlroß lenkten und dem Ringplatze zuführten. Wie in den reichbeflaggten Straßen der Stadt, so hatte sich auf der mit Brettern und Jagdtüchern umfriedigten, am Eingange mit wehenden Fahnen geschmückten Rennbahn von nah und fern ein vieltausendköpfiges Publicum eingefunden, welches dem nun beginnenden Rennen mit steigendem Interesse folgte. In einer besonders für diesen Zweck zwischen der zweitheiligen Tribüne errichteten Loge hatte der Sohn Sr. Königlichen Hoheit des Herzogs von Edinburg, Prinz Alfred, mit Gefolge Platz genommen, während die Tribüne selbst von dem eingeladenen Magistrats-Collegium, dem Officiercorps und einem sonstigen hochansehnlichen Publicum fast voll besetzt war. Auch die Restaurationssitzplätze und die Stehplätze zeigten dichte Besetzung. Allgemeine Spannung herrschte, als eine Trompeten-Fanfare gegen 3 Uhr das Zeichen zum Beginn des Rennens gab, welches nachstehenden Verlauf nahm:
I. Angerrennen, 4000 Meter (10 Runden), offen für Mitglieder des Deutschen Radfahrer – Bundes. Einsatz 5 M. 1. Preis: Ehrengeschenk im Werth- von 50 M. und vergoldetes Ehrenzeichen; 2. Preis: Ehrengeschenk im Werthe von 25 M. und silbernes Ehrenzeichen; 3. Preis: broncenes Ehrenzeichen. 7 Nennungen. Es starteten 6 Fahrer, von denen Leonhard-Chemnitz in 8 Min. 21 Sec. als Erster, Haage zun.-Erfurt in 8 Min. 31 Sec. als Zweiter und Metzner – Bamberg in 8 Min. 35 Sec. als Dritter durch’s Ziel fuhren. Das erste Ehrengeschenk besteht aus einem silbernen, reich ciselirten, 5 Stück haltenden Eßbesteck im Etui, das zweite aus einer silberbeschlagenen, ‚eingeschliffenen Weinkanne.
II. Vereinsrennen, 2000 Meter (5 Runden), offen für Mitglieder des Radler-Vereins Coburg. Maschinen unter 16 kg ausgeschlossen. Einsatz 3 M. Ein Ehrenpreis, gegeben von den Ehren-Damen und als 1., 2. und 3. Preis: je ein vergoldetes, silbernes resp. broncenes Ehrenzeichen. 6 Nennungen. An diesem Rennen betheiligten sich alle Fahrer, von denen Hugo Birnstiel-Coburg in 4 Min. 20 Sec. als Erster, Gottl. Stahn-Meschenbach in 4 Min. 35 Sec. als Zweiter und Carl Balzer – Coburg in 4 Min. 42 Sec. als Dritter durch’s Ziel gingen. Der Sieger erhält den von den Ehrendamen gestifteten Ehrenpreis, bestehend aus einer rothseidenen, goldgestickten Schärpe, die er jedoch zwei Jahre lang als „Erster“ zu vertheidigen hat, bevor sie in ein Eigenthum übergeht.
III. Erstrennen, 2000 Meter (5 Runden), offen für Mitglieder des Deutschen Radfahrer-Bundes, welche in einem öffentlichen Rennen noch keinen Preis errungen haben. Maschinen unter 16 ausgeschlossen. Einsatz 3 M. 1. 2. und 3. Preis: je ein Ehrenzeichen, vergoldet, Silber und Bronce. 8 Nennungen. Am Start erscheinen 7 Fahrer und es fuhren von ihnen Felix Freude-Meerane in 4 Min. 18,4 Sec. als Erster, Carl Metzner-Bamberg in 4 Mm. 23 Sec. als Zweiter und Ernst Ahl-Hof in 4 Min. 25,6 Sec. als Dritter durch’s Ziel.
IV. Tricyclerennen, S000 M. (5 Runden), offen für Mitglieder des Deutschen Radfahrer – Bundes. Einsatz 5 M. 1. Preis: Ehrengeschenk im Werthe von 50 M. und vergoldetes Ehrenzeichen; 2. Preis: Ehrengeschenk im Werthe von 25 M. und silbernes Ehrenzeichen; 3. Preis: Ehrengeschenk im Werthe von 15 M. und broncenes Ehrenzeichen. 5 Nennungen. Es starteten alle 5 Fahrer, von denen Paul Focke-Leipzig in 4 Min. 38.6 Sec. als Erster, Carl Balzer-Coburg in 4 Min. 40 Sec. als Zweiter und Carl Müller-Erfurt in 4 Mi». 53,4 Sec. als Dritter das Ziel passirten. Das erste Ehrengeschenk besteht aus einem silbernen, reich ciselirten Dessert-Aufsatz und einer Visitenkartenschale, das zweite aus einem silbernen, innen vergoldeten Humpen, das dritte aus einer silbernen Schale und einer Glasschale mit Silberfuß.
V. Handicap. 2400 Meter (6 Runden), offen für die Mitglieder des Gauverbandes 15a Bamberg des Deutschen Radfahrerbundes. Maschinen unter 16 KG ausgeschlossen. Einsatz 3 M. Drei Ehrenzeichen in Vergoldung, Silber und Bronce. 7 Nennungen. Es starteten 6 Fahrer, von denen Gottl. Stahn-Meschenbach in 5 Min. 22 Sec. als Erster, Cuno Knoch-Neustadt in 5 Min. 22,4 Sec. als Zweiter und Julius Gottlieb-Eger in 5 Min. 39,4 Sec. als Dritter durchs Ziel fuhren.
Den interessantesten Theil des Rennens bildete das nach einer Pause von 20 Minuten begonnene
VI. Hauptrennen. 10000 Meter (25 Runden), offen für Mitglieder des Deutschen Radfahrerbundes. Einsatz 10 M. 1. Preis: Ehrengeschenk im Werthe von 120 M. (silbernes Kaffeeservice mit silbernem Brett, ciselirt) und ein vergoldetes Ehrenzeichen; 2. Preis: Ehrengeschenk im Werthe von 60 M. (Punschbowle mit Gläsern und Brett von Silber) und ein silbernes Ehrenzeichen; 3. Preis: Ehrengeschenk im Werthe von 30 M. (Aneroid-Barometer auf silbernem Gestell) und silbernes Ehrenzeichen; 4. Preis: ein broncenes Ehrenzeichen. 6 Nennungen. Am Start erschienen alle 6 Fahrer, von denen Carl Leonhard-Chemnitz in 22 Min. 28,2 Sec. als Erster, Ferdinand Haage gr -Erfurt in 22 Min. 28,4 Sec. als Zweiter, Cuno Knoch-Neustadt in 22 Min. 41 Sec. als Dritter und Felix Freude-Meerane in 23 Min. 4 Sec. als Vierter das Ziel durchfuhren.
Vor dem Hauptrennen — während der Pause — fand ein durch drei Knaben im Alter von 6, 8 und 11 Jahren ausgeführtes Zweiradfahren statt, welches allgemeinen Beifall fand.
Zu dem hierauf folgenden Trostrennen (Distance 2000 Meter in 5 Runden, offen für diejenigen Renner, welche am heutigen Wettfahren Theil genommen, die vorgeschriebene Distance durchfahren, aber keinen Preis errungen haben), meldeten sich 3 Fahrer, von denen, nachdem einer derselben bald ausgetreten war, sich Schmidtschneider-Nürnberg in 5 Min. 52 Sec. das ausgesetzte goldene und Brückner-Hof in 6 Min. 3 Sec. das silberne Ehrenzeichen erwarb. Nach nunmehr beendetem Rennen brachte Herr Balzer-Coburg auf den beim Rennen anwesenden Prinzen Alfred ein „All Heil“ aus, welches von den versammelten Radfahrern freudig erwiedert wurde. Hierauf fand die Preisvertheilung durch die Ehrendamen statt, für welche vor, resp. zwischen der Tribüne um den mit den Ehrengeschenken reich beladenen Tisch ein besonderer Platz errichtet worden war. Während des Rennens executirte die vollzählige Militärcapelle in Uniform ein vorzügliches Concert. Ein gleich ausgezeichnetes Concert fand Abends von 8 Uhr ab auf der „Wilhelmshöhe“ vor einer sehr zahlreichen, dankbaren Zuhörerschaft statt. Die sämmtlichen Rennen verliefen ohne jeden Unfall.
Quelle: Coburger Zeitung 31.Mai 1886 – Transkribiert Michael Beck 2024
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